
Giftige Weine im Bordeaux
Es gibt im Zusammenhang mit der europäischen Agrarproduktion einiges , was einen fassungslos macht. Vergiftete Böden, vergiftete Lebensmittel und eine unsagbare Geldverschwendung, massiv beeinflusst von Lobbyisten, die ausschließlich von Eigeninteressen getrieben werden. Ganz besonders absurd wird die Situation, wenn Produkte und Anbaugebiete in Verruf kommen, die zur absoluten Weltspitze gezählt werden. So erging es jetzt zum wiederholten Mal dem wohl bekanntesten Weinbaugebiet der Welt, dem Bordeaux, bzw. Bordelais, wie es im Französischen genannt wird.
Hier einige Superlative:
Das Weinbaugebiet Bordeaux ist das größte zusammenhängende Anbaugebiet der Welt für Qualitätsweine. Es gibt etwa 6.000 Weingüter, darunter ungefähr 3.000 sog. Château, die die weltberühmten Weine erzeugen und eine qualitative Hierarchie bilden. Insgesamt umfasst die Weinregion eine Fläche von 114.000 Hektar. Der Wert der Anbauflächen ist in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen. Da werden schon mal mehr als 2,5 Millionen Euro für einen Hektar aufgeboten, der Quadratmeter also für 250.- €. Dies hat allerhand Finanzinvestoren in die Gegend gelockt. Rufschädigung ist da in erster Linie eine ökonomische Katastrophe und muß unter allen Umständen vermieden werden! Darüber hinaus ist Bordeaux die ertragreichste Weinbauregion Europas, mit einem Volumen von jährlich ca. 600 Millionen Liter Wein.
Aber auch das sind Superlative im Bordelais:
Frankreich ist seit Jahren europäischer Spitzenreiter im Einsatz von Pestiziden. Das liegt hauptsächlich an den Winzern. Ihre Fläche beträgt nicht mehr als 3% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, sie wenden aber 20% der gesamten synthetischen Spritzmittel in ihren Weinbergen an. 5 kg pro Hektar entfallen dabei auf Mittel, die nachweislich Krebs erregen, zu Unfruchtbarkeit führen, Föten oder Nerven schädigen und Hormonstörungen auslösen können. Aber der Weinbau ist ein starker Wirtschaftsfaktor und beschäftigt 55.000 Menschen. Die Weine und die Böden wurden nicht oder nur ausnahmsweise auf Rückstände untersucht. Es gab bisher keinerlei Interesse, am erfolgreichen Konzept, ja, am Weinmythos, zu rütteln.
Aber jetzt kommt Unruhe in’s System, obwohl die Dinge teilweise seit Jahrzehnten bekannt sind. Schon Weine des Jahrgangs 2002 wiesen erhebliche Rückstände auf. Von der „Pesticides Action Network Europa“ damals durchgeführte Proben bei 40 Weinen aus dem Bordelais, wiesen alle Pestizidrückstände auf. Manche Proben bis zu 10 verschiedene Gifte. Und die Lage ist heute noch viel dramatischer. Überall werden mittlerweile giftige Rückstände gefunden. In Wasser, Luft und Boden, sogar in den Austernbänken vor der Küste. Und auch die Menschen sind vergiftet. In Haaren und Urin lassen sich die Stoffe nachweisen. Und es gibt praktisch keinen konventionell erzeugten Wein im Bordelais, der nicht Pestizidrückstände enthielte. Würden die Weine wie Trinkwasser kontrolliert, wären die allermeisten für den menschlichen Verzehr nicht frei gegeben. Weil dem aber nicht so ist, und die Behörden bisher wenig Interesse haben, dies zu ändern, überschreiten viele der Gifte bis zum 3000 fachen der im Wasser erlaubten Grenzwerte. Für konventionellen Wein existieren grundsätzlich keine Grenzwerte.
Die französische Regierung hat mit einem 500 Millionen Euro Programm versucht, den Pestizideinsatz zu vermindern. Von 2008 bis 2018 sollte der Einsatz um 50% reduziert werden. Stattdessen ist er um 12 % gestiegen. Für die Kritiker des Programms ein „Ecofiasco“. Außerdem haben sie auch eine sehr überraschende und dennoch sehr plausible Erklärung für diesen hartnäckigen Pestizideinsatz. Sie behaupten, im Bordelais herrsche ein miserables Klima für Rebenanbau. Liest man die Beipackzettel der gängigen Pflanzenschutzmittel, so läßt sich zusammenfassen: Pilzinfektionen aller Art sind der Tod des Rebenanbaus im Bordelais. Es regnet zu viel, es ist zu feucht durch die großen Flüsse und den nahen Atlantik und es ist zu heiß und sonnig. Ein berüchtigter Klima-Cocktail, dem kaum zu entkommen ist. Der Anbau in Monokultur über tausende Hektar tut sein Übriges.
Die langfristigen Folgen sind für die Menschen der Region verheerend. Regierungsstellen gehen mittlerweile von bis zu 100.000 Menschen aus, die mit arsenhaltigen Pestiziden derart in Kontakt kamen, dass bei einem Teil schwerste Erkrankungen zu erwarten sind. 3000 Menschen könnten ein erhöhtes Blutkrebsrisiko haben und 7.000 bis 10.000 Menschen ein erhöhtes Parkinson-Risiko.
Zum ersten mal im Bordelais wurde im März 2019 ein Chateau-Besitzer schuldig gesprochen, durch „unentschuldbare Fehler“ die Parkinson-Krankheit einer ehemaligen Mitarbeiterin verursacht zu haben.
Und der Widerstand regt sich mittlerweile auf breiter Front. 115 Winzer im Bordelais haben ihre Umstellung auf biologischen Anbau angekündigt. Einige Großhändler haben verlauten lassen, ab dem Jahrgang 2019 keine Weine mehr zu vertreiben, die mit Mitteln der hohen Gefährlichkeitsstufe behandelt wurden. Seit September 2018 demonstrieren Aktivisten der „Mohnblumen-Bewegung“ vor französischen Rathäusern gegen gefährliche Pestizide. Außerdem haben 850 Personen, bei denen erhöhte Werte von Glyphosat im Urin nachgewiesen wurden, eine Klage gegen die Zulassungsbehörden und die Hersteller der glyphosathaltigen Mittel eingereicht.
Es besteht also die Hoffnung, dass die flächenhafte Verseuchung einer ganzen Region samt ihrer Menschen endlich gestoppt wird.