
Eieiei
Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft meldete Ende Januar diesen Jahres unter dem Titel „Bio-Eier und -Geflügel in der Kostenfalle“, dass die grassierende Vogelgrippe und extrem steigende Futter-, Energie- und Lohnkosten die Kosten für die Erzeuger nach oben treiben. Der wichtigste Satz in dieser Meldung: „Mit dem Jahreswechsel konnten zwar einige Anbieter etwas höhere Kontraktpreise für Bio-Eier bei Lieferung an den Lebensmitteleinzelhandel realisieren, eine vollständige Kompensation der Kostensteigerungen erscheint aber schwierig.“
Warum ist das so? Stark steigende Erzeugerpreise treffen auf einen übervollen Bio-Eier-Markt. Was ist passiert?
Die Produktion von Bio-Eiern steigt bundesweit seit Jahren stark an.

2021 wurden allein in Deutschland 1,7 Milliarden Bio-Eier erzeugt. Das entspricht 13 Prozent der gesamten Eierproduktion. Davon kamen ungefähr 380 Millionen Eier von Bioland-Bauern und Bäuerinnen.
Bis zum Sommer 2021 boomte der Bio-Eier-Markt ungebrochen, dann allerdings zogen erste Wolken auf. Der Absatz ging spürbar zurück, das Urlaubssommerloch 2021 war tiefer und der damit verbundene Mangel an Nachfrage reichte bis in den Spätherbst.
Durch den vorigen Nachfrage-Boom hatten immer mehr Betriebe mit der Bio-Ei-Produktion angefangen, viele jedoch nur mit der EU-Bio-Zertifizierung. Die Futter- und die Haltungsrestriktionen sind dort weniger anspruchsvoll als bei den Bio-Verbänden. Die Umstellungsbereitschaft war in den vergangenen zwei bis drei Jahren bei konventionellen Landwirt*innen aufgrund der massiven Probleme im Schweinemarkt besonders groß. Konventionelle Schweine raus, Stall umbauen, Bio-Legehennen rein und los geht’s. Animiert, unterstützt und gefördert von den landwirtschaftlichen Beratungsstellen.
In einer internen Bioland-Legehennenhalter*innen-Fachgruppe geht man davon aus, dass im Jahr 2021 etwa 100 Millionen Bio-Eier zusätzlich auf den Markt gekommen sind. Und das bei sinkender Nachfrage. Dazu kommt ein weiteres Problem: Anfang dieses Jahres verzeichnete der gesamte Naturkostmarkt zweistellige Umsatzrückgänge. Das betrifft natürlich auch den Eier-Absatz. Erste Legehennen-Ställe im Norden Deutschlands stehen bereits leer, da der Markt vollkommen überlastet ist. Auch in Dänemark und Frankreich werden starke Überkapazitäten diskutiert.
Wenn ein übervoller Angebotsmarkt auf stagnierende Nachfrage trifft, dann beginnt ein erbitterter Preiskampf. Und wenn dies, wie momentan zu sehen, auch noch mit stark steigenden Produktionskosten einhergeht, dann fliegen erst recht die Fetzen bzw. Federn. Da rächt es sich für die Verbände, dass ihre oberen Verhandlungsführer*innen in den letzten Jahren beschlossen haben, in den großen Handelsketten wie Edeka, Rewe, Lidl oder Aldi faire Partner zu sehen. Bioland- und Demeter-Eier schmückten plötzlich die Regale, und den niedrigeren Preis wollte man über höhere Verkaufsmengen und „professionelle“ Produktions- und Vertriebsstrukturen kompensieren.
Verschärft wird die Lage außerdem durch die Tatsache, dass sich die Absatzwege von Bio-Lebensmitteln dramatisch verändert haben. Noch vor fünf Jahren war der von Unternehmer*innen geführte Naturkosthandel die mit Abstand wichtigste Vertriebsmöglichkeit. Neueste Zahlen für 2021 zeigen, dass der Umsatzanteil der großen Handelskonzerne aktuell 62 Prozent ausmacht. Die Machtverhältnisse haben sich radikal verschoben. Bioland-Erzeuger*innen arbeiten jetzt mit bundesweit oder sogar europaweit agierenden Einkäufer*innen der großen Lebensmittelketten zusammen. So wenig der Markt für EU-Bio-Eier in Dänemark, Frankreich oder Norddeutschland für die Baden-Württemberger Bioland-Bauern bisher relevant war, so sehr spielt er in den Köpfen des konventionellen Handels eine entscheidende Rolle.
„Geld verdient wird im Einkauf“ ist die seit Jahrzehnten geltende Devise. Soll heißen, dass im Preisdruck auf die Erzeuger*innen der größte ökonomische Erfolgsfaktor liegt. Das bekommen jetzt auch die hiesigen Bioland-Erzeuger*innen zu spüren, zum Beispiel bei den Verhandlungen mit Edeka Südwest. Plötzlich spielt der, vor allem mit günstiger EU-Bio-erzeugter Ware, übervolle Eier-Markt eine Rolle. Und es wurde offensichtlich unverhohlen damit gedroht, Verbandsware durch EU-Bio-Ware zu ersetzen, falls die Bioland-Erzeuger höhere Preis durchsetzen wollten. Edeka konnte sogar einen kleinen Preisabschlag aushandeln. Und das in einer Situation, in der die Produktionskosten wie noch nie in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen sind. Die Existenz vieler Bioland-Landwirt*innen wird dadurch bedroht.
Vielleicht müssen sie auch bald ihre Ställe leer stehen lassen, weil der damit verbundene ökonomische Schaden geringer ausfällt. Für Edeka und Co ist das höchstens bedauerlich – solange der Markt genug Bio-Eier zur Verfügung stellt. Sie haben schon so viele konventionelle Erzeuger*innen in den Ruin getrieben. Warum sollte man jetzt vor Bio-Erzeuger*innen zurückschrecken?
Unser Bioland-Eierlieferant, mit dem wir seit 30 Jahren zusammenarbeiten, musste zum 1. April aus den erläuterten Gründen seine Eierpreise um 5 Cent pro Ei anheben. So etwas gab es in 40 Jahren Bio-Eier-Erzeugung noch nicht. Der Durchschnitt lag über die Jahre bei nicht einmal einem Cent. Wir vom Marktladen haben diese Erhöhung an Sie, sehr verehrte Kundschaft, weitergegeben. Anders ging es leider nicht! Hier sehen Sie zu Ihrer Information unsere Preiskalkulation für lose Eier:

Damit Sie diese 43% bzw. 42% Aufschlag einordnen können, möchte ich den ehemaligen Entwicklungshilfeminister Gerd Müller aus einem Interview zitieren, das er am 03. März 2021 mit ZEIT online geführt hat:“In der Textilindustrie beträgt der Anteil der Produktionskosten am fertigen Produkt wenige Prozent. Eine Jeans wird für fünf Dollar hergestellt, bei uns liegt sie für 50 oder 100 Euro im Laden.“
Damit haben Sie einen Anhaltspunkt, welche Aufschläge in vielen anderen Branchen üblich sind.
Natürlich wissen wir, dass es immer noch Bio-Eier für unter 40 Cent im Supermarkt gibt. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Die Erzeuger sind die Dummen. In einer Zeit wie dieser, sollten wir mehr denn je über die Resilienz regionaler Lieferketten nachdenken und uns überlegen, was uns diese wert sind.