
CO2-Bilanz beim Einkauf. Worauf man achten muss.
Wie können wir uns dauerhaft umweltverträglich ernähren? Angesichts des immer schneller fortschreitenden Klimawandels und der durch die Corona-Pandemie ausgelösten globalen Handelskrise muss diese Frage noch stärker als bisher in den Fokus gerückt werden. Es ist eine Frage des Überlebens, ob wir unsere Gewohnheiten in Sachen Konsum und Ernährung nachhaltig ändern können.
„Unsere Nahrungsmittelversorgung ist für 1/3 der weltweit verursachten Treibhausgase verantwortlich. Kein Fortschritt im Transportsektor und keine Energierevolution kann den Klimawandel so effizient verlangsamen wie eine intelligente Lebensmittelwahl. Die wirkungsvollsten Antworten auf das Pariser Klimaabkommen verstecken sich in unseren Kühlschränken; sie sind also weder in unseren Garagen noch in unseren Heizungssystemen zu finden.“
So beschreibt es Eaternity in Zusammenarbeit mit der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Eaternity ist eine Schweizer Organisation, die sich mit dem ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln befasst. Weiter heißt es:
„Mit überlegten, saisonalen und regionalen Lebensmittelentscheidungen können wir diese Emissionen um mehr als 50% verringern. Veränderungen im Lebensmittelkonsumverhalten ist der effizienteste Weg, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den vom Pariser Klimaabkommen festgelegten Grenzwert eines maximalen Temperaturanstieges von 2 Grad einzuhalten.“
Die Autor*innen weisen in ihrer Studie nach, dass über 80 Prozent der Emissionen unserer Lebensmittelversorgung bei der Erzeugung entstehen – vor allem durch Waldrodungen (38 Prozent), Torfabbau (11 Prozent) sowie in der Landwirtschaft selbst (50 Prozent), wo Nutztierhaltung, Düngemittel und Reisproduktion den Bärenanteil ausmachen.
Gemessen werden diese Emissionen in sogenannten CO₂-Äquivalenten:
„Alle Treibhausgase, die mit der Lebensmittelproduktion zusammenhängen, werden in CO₂-Äquivalenten ausgedrückt. Das heißt, die Emissionen verschiedener Treibhausgase werden umgerechnet in die CO₂-Menge mit der gleichen Klimawirkung. Der CO₂-Fußabdruck von Lebensmitteln wird mit einer Ökobilanz (LCA für Life Cycle Assessment) gemessen. Es handelt sich dabei um eine systematische und quantitative Analyse der Umweltbelastung jeder einzelnen Lebensphase eines Produktes. LCAs schaffen Transparenz beim Vergleich der Umweltbelastung verschiedener Produkte in Hinsicht auf Produktion, Transport, Lagerung und Entsorgung.“
Da erklärt sich wohl von selbst, dass regional produzierte und vertriebene Produkte bedeutend besser abschneiden als Importware. Oder?
Mitte Mai hörte ich im Geschäft auf einem Ohr mit, wie ein älteres Ehepaar nach deutschen Tomaten fragte und relativ ungestüm von dannen zog, als ihnen eine Mitarbeiterin antwortete, dass wir nur spanische Ware hätten. Deutsche Tomaten Mitte Mai? Machte das Sinn? Obwohl ich eigentlich „wusste“, dass das nicht der Fall ist, trieb mich die Frage weiter um. Für uns im Marktladen sind kurze Transportwege und ein geringer CO₂-Fussabdruck ein sehr wichtiges Einkaufsargument. Wir kaufen bis zu 40 Prozent unserer gesamten Ware aus der nächsten Umgebung, mindestens aber innerhalb Baden-Württembergs ein. Über 60 Lieferanten halten uns dabei ganz schön auf Trab und bieten Ihnen dafür ein reichhaltiges, regionales Sortiment.
Doch die Frage bleibt: In welcher Jahreszeit schneiden regionale Produkte jetzt besonders gut ab? Bis wann muss ich davon ausgehen, dass regionale Ware mit einem enormen Heizaufwand unter Glas angebaut wird? Wann ist es sinnvoller, Bio-Tomaten aus Spanien zu essen? Und ab wann haben deutsche/regionale Tomaten einen CO₂-Vorsprung? Um wieviel höher sind die Emissionen bei tierischen Erzeugnissen?

Welche Erkenntnisse können wir aus den Ergebnissen der Studien der Zürcher und Heidelberger Wissenschaftler*innen – siehe Schaubild – ziehen?
- Frischgemüse oder Obst, das mit dem Flieger nach Deutschland kommt, ist ökologisch eigentlich inakzeptabel. Trotzdem haben wir im Marktladen auch einzelne Produkte im Sortiment, die auf dem Luftweg zu uns kommen, beispielweise Ananas oder Maracujas. Die von Kleinbauernverbänden ökologisch erzeugten Obstwaren finden im Anbauland keinen Absatzmarkt, der ihnen ihre Existenz sichert. Sie müssen außerdem auch deshalb exportiert werden, weil weder die Lagerkapazitäten noch die Konservierungsmöglichkeiten (in Form von Süßkonserven oder Trocknung) vorhanden sind. Dazu fehlen vor Ort meist das nötige Know-how sowie die finanziellen Mittel. In unseren Augen sind diese Produkte absolute Luxusgüter und sollten auch entsprechend behandelt bzw. konsumiert werden. Vergleichbar mit einem Sonntagsbraten. Ab und zu kann man sich die sonnenverwöhnten Früchte gönnen, allerdings nicht jeden Morgen im Frühstücksmüsli!
- Positiv überrascht die Bilanz von Orangen (Zitrusfrüchten). Ich gehe davon aus, ohne dass dies explizit erwähnt wird, dass es sich um europäische Ware handelt. Abgesehen davon kommt die Überseeware (Südafrika) per Schiff, was offensichtlich ein ziemlich unbedeutender ökologischer Belastungsfaktor ist.
- Die regionale Apfelbilanz ist während der gesamten Verkaufskampagne deutlich besser als bei Ware aus Übersee. Leider weist die Studie nur einen Vergleich bis April aus. Damit berücksichtigt sie entweder nicht, dass im Mai eigentlich noch ein ziemlich gutes Angebot an regionalen/deutschen Äpfeln im Angebot ist, oder die Situation wird im Mai nicht signifikant schlechter. In den Monaten Juni und Juli sollte man aus ökologischen Gründen seinen Apfelkonsum deutlich einschränken. Im August gibt es in der Regel schon ein kleines Angebot von Frühapfelsorten aus Frankreich und Italien.
- Bei Erdbeeren ist natürlich auch aus Qualitätsgründen ein regionaler Einkauf sinnvoll. Der Konsum von frischen Erdbeeren aus Spanien ist aufgrund der Emissionen nicht prinzipiell zu verwerfen, allerdings gibt es im konventionellen Anbau zwei chronische Probleme: Es gibt kaum Proben, die nicht mit Pestiziden belastet sind. Der Wasserbedarf ist enorm und das Bohren illegaler und immer tieferer Brunnen ein stetig wachsendes Problem. „Wintererdbeeren“ aus Spanien sind unter nachhaltigen Gesichtspunkten ein No-Go. Sehr problematisch ist allerdings auch in Deutschland die Entwicklung, dass immer früher im Jahr Ware angeboten wird. Dies geht nur durch extreme „Verfrühungsbemühungen“ wie beispielsweise mit Foliengewächshäusern. Damit kann nicht nur früher die Nachfrage nach deutschen Beeren bedient werden, sondern das Wetterrisiko, das bei Beeren besonders schwer wiegt, wird ebenfalls minimiert. Dafür steigen Krankheitsdruck und somit der Pestizideinsatz im konventionellen Anbau.
Interessant wird es auch bei der Frage, wie es sich bei sogenanntem Feingemüse wie Paprika, Zucchini, Tomaten usw. verhält. Nachdem Regionalität auch bei den großen Handelsketten zum Verkaufsschlager wurde, setzen sie alles daran, immer mehr und vor allem immer früher im Jahr regionale Produkte anzubieten. Edeka hat beispielsweise 2019 Ende Februar mit regionalen Tomaten geworben. Soll das gut für die Umwelt sein? Ein klares Nein ist die Antwort. Im Gegenteil: Der Fußabdruck der in der Studie definierten „deutsche Wintertomate“ ist zehnmal so hoch wie in der regulären Tomatensaison. Sehr viel sinnvoller ist es da, passierte Tomaten oder südeuropäische Ware zu kaufen. Diese kompensiert ihre Transportkosten fast vollständig durch die vorherrschenden klimatischen Vorteile. Im Prinzip gilt das auch für das gesamte andere Feingemüse.
Fazit: Mit ein wenig Know-how über Saisonen und Anbaubedingungen macht man vor allem mit dem Konsum von frischem Obst & Gemüse schon vieles richtig. Es lohnt sich also zu fragen: Welches Grünzeug gedeiht zu welcher Jahreszeit in der Region? Und ab wann gibt es die regionale Ware ohne extra Heizen für die frühe Ernte? So kann man als Endverbraucher*in bereits beim Einkaufen einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten.