
Bio ist weniger teuer
Im Krisenjahr 2022 hat die Bio-Lebensmittelwirtschaft schwer gelitten. Die gesamte Branche verzeichnete schwere Umsatzrückgänge. Doch die Deutschen wollten sich ihre Reiselaune trotz (oder gerade wegen?) der Krise nicht verderben lassen. Aber beim Essen wollte man dann doch sparen. Gewinner sind mal wieder die Discounter. Denn, wenn schon Bio, dann wenigstens billig. Und das Billig-Image pflegen die großen Lebensmittelkonzerne seit dem Anstieg der Inflation jetzt so fleißig wie zuvor noch den grünen Anstrich. Eben noch legten die Konzerne Wert auf Qualität, jetzt machen sie auf Discounter. Aber stimmt die Botschaft der Großkonzerne auch mit der Wirklichkeit überein? Stimmt es, dass das billigste Bio mit den geringsten Aufschlägen aus dem konventionellen Handel, und besonders von den Discountern kommt?
Nahrungsmittel sind 2022 um saftige 20,7 Prozent teurer geworden, so die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die allgemeine Teuerungsrate hingegen lag bei 8,6 Prozent. Das gab es noch nie seit der Jahrtausendwende, dass Lebensmittel deutlich über der allgemeinen Inflation lagen. Üblich war in den letzten 20 Jahren, dass die Kosten fürs Essen immer unterproportional angestiegen sind.
Vergleichen wir mal die Preisentwicklung im Bio-Segment und bei konventionell erzeugten Produkten: Neueste Zahlen der AMI (Agrarmarkt Informations-Gesellschaft) geben ein erstaunliches Bild ab. Entgegen aller Vermutungen lagen die Preissteigerungen für Bio-Lebensmittel sehr deutlich unter denen aus konventioneller Erzeugung. Spitzenreiter bei den Aufschlägen des konventionellen Handels mit den extremsten Abweichungen zum Bio-Angebot sind Eier (+ 5,6% / 18,0 % - +310%), Käse (5,8%/18,5% - +320%) sowie Margarine und Speiseöle (2,8%/26,3% - +950%).

Das Fazit der AMI lautet: Die Verbraucherpreise für frische Lebensmittel aus konventioneller Erzeugung sind im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich stärker gestiegen als für frische Bio-Lebensmittel. Die Preise am Bio-Markt stiegen dabei um knapp 7 Prozent, während der konventionelle Markt ein Plus von etwa 12 Prozent verzeichnete. Die höchste Teuerungsrate besaß die Warengruppe der konventionell erzeugten Speiseöle und Margarinen.
Nach einer Auswertung der Verbraucherzentralen heißt es zum gleichen Thema: „Darüber hinaus haben selbst Supermarkt- und Discounterketten bei den eigenen Handelsmarken kräftig aufgeschlagen: Im Vergleich zu den Preisen von manchen Markenprodukten, steigen die Preise von Produkten der Handelsmarken nämlich stärker. In der Annahme, dass sie besonders sparsam einkaufen, machen Verbraucher*innen, ohne dass sie dies wahrnehmen, genau das Gegenteil.“
Mit dem Blick auf den Bio-Lebensmittelhandels zeigt sich noch eine weitere sehr interessante Entwicklung: Nach dem Verhalten der Verbraucher*innen, die sich auf die Bio-Eigenmarken der Discounter gestürzt haben, müssten diese die geringsten Aufschläge realisiert haben. Auch wenn vieles immer noch zu absoluten Schleuderpreisen angeboten wird, ist diese Schlussfolgerung dennoch schlicht falsch. Schauen wir auf eine Auswertung von statista.de: 2022 schlugen die Lebensmittelkonzerne z.B. bei Milch und Butter nicht nur bei konventionell erzeugter Ware, sondern auch im Bio-Segment am meisten drauf. Die Aufschläge im Bio-Fachhandel hingegen waren wesentlich niedriger.
Dazu abschließend das Wort des Präsidenten des Bioland-Verbandes, Jan Plagge, zur Situation: „Die Verbraucher sind auf der Suche nach günstigen Angeboten und kaufen Bio häufiger im Discounter als bisher. Die größten Preissteigerungen gab es im vergangenen Jahr aber gerade im Discount, insbesondere bei den konventionellen Produkten. Die Bio-Ware hingegen wirkte als Inflationsbremse, vor allem im Fachhandel. Da viel nach Bauchgefühl eingekauft wird, kommt das aber nicht überall an.“
Umweltfreundlich ist langfristig billiger
Anfang dieses Jahres haben Wissenschaftler der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Weihenstephan, Bayern, eine bemerkenswerte Studie mit dem Titel „Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus“ veröffentlicht. Darin werden Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus im Vergleich zum konventionellen Landbau analysiert. Auf dieser Datenbasis wird eingeschätzt, in welchem Umfang Umweltkosten durch ökologischen Landbau eingespart werden können.
Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die weitere Ausdehnung des ökologischen Landbaus erheblich zur Lösung drängender Umweltprobleme und zur Verminderung von Kosten für die Gesellschaft beiträgt. Dazu gehören unter anderem die Reduktion des Stickstoffeinsatzes und dadurch geringere Stickstoffemissionen (Ammoniak, Lachgas und Nitrat) in die Umwelt, positive Wirkungen auf Biodiversität und Trinkwasser sowie Kosteneinsparung für die Trinkwasseraufbereitung. Durch den Verzicht auf mineralischen Dünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel kann der fossile Energieeinsatz halbiert werden und so die Energieabhängigkeit der Lebensmittelerzeugung erheblich reduziert werden.
Der verstärkte Humusaufbau im Bioanbau und die damit verbundene Kohlenstoffbindung haben positive Wirkungen auf Bodengefüge und Bodenleben und damit auf die Ertragsstabilität. Sowohl im ökologischen Pflanzenbau als auch z.B. in der Milchviehhaltung durch Gras- und Heufütterung, den Verzicht auf Sojaimporte aus Übersee und eine nachhaltige Grünlandnutzung, wird eine Halbierung der flächenbezogenen Treibhausgasemissionen erreicht. Der Schutz der Artenvielfalt durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Mittel, artenreiche Fruchtfolgen, geringere Regelungs- und Eingriffsintensität sowie weniger und schonendere Arbeitsgänge bedeuten weniger Störungen des Ökosystems. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass eine vielfältige Struktur der bäuerlichen Kulturlandschaft mit begrenzten Ackergrößen und Feldgehölzen unter anderem ebenfalls einen erheblichen, positiven Einfluss auf die Artenvielfalt hat.
Die logischen Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Autoren an die Agrar-Umweltpolitik: Je schneller die Umstellung auf ökologischen Landbau erfolgt und je größer die ökologische Anbaufläche ist, umso größer ist die Umweltentlastung und Einsparung von Umweltkosten für die Gesellschaft. Bei 30 Prozent Flächenanteil (Ziel 2030) werden die Kosten für die Gesellschaft allein in Deutschland um vier Mrd. Euro reduziert. Was dies langfristig bedeutet, kann man im Bericht „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ der Zukunftskommission Landwirtschaft vom Juli 2021 nachlesen: „Auf Bio zu verzichten könne man sich angesichts der durch den Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft bezifferten 90 Mrd. Euro Folgeschäden durch die hiesige Landwirtschaft – für die größtenteils die Gesellschaft aufkomme – nicht leisten.“